Kirche(,) gib(t) Raum für Frieden!

Eine Predigt zur biblischen Erzählung von Noah (Gen 6–9)1


Caspar Luyken: Noahs Opfer nach der Sintflut © gemeinfrei

Von Marco Hofheinz

Liebe Gemeinde,

manches in der Bibel wirkt verstörend auf uns. Insbesondere was die Gewaltfrage betrifft, so wenden wir uns bisweilen irritiert von dem ab, was wir dort – nach unserem Eindruck vor allem im Alten Testament – lesen müssen. Wenn ich skalieren und die verstörendste Geschichte benennen sollte, so wäre ohne Zweifel die Geschichte von Noah einer der ganz heißen Kandidaten. Hier ist es Gott, der Gewalt übt und das in unvorstellbarem Maße. Was müssen das für Leichenberge gewesen sein, die die Sintflut hinterließ. Diese Flut dürfte wohl die schrecklichste Katastrophe sein, von der die Bibel berichtet. Und das Schlimme ist, dass es sich nicht etwa um eine Naturkatastrophe handelt, sondern einen Gewaltexzess, für den sich Gott verantwortlich zeichnet. Ist Gott ein Massenmörder? „Wie verträgt sich diese furchtbare Gewalttat mit dem Glauben an den gütigen, den ‚lieben‘ Gott?“1 Wenn wir uns mit Gewalt beschäftigen, dann ist es unverzichtbar, nach ihren Ursachen zu fragen, denn oftmals verbirgt sich bereits in der Gewaltentstehung die Wurzel der Gewaltüberwindung. Wenn wir die Ursache kennen, dann können wir auch die Ursache bekämpfen, ja im besten Falle Abhilfe schaffen. Fragen wir also: Wie konnte es zur Sintflut kommen?

Die Noahgeschichte beginnt mit einer ungeheuren Aussage: Gott reute es, dass er die Menschen gemacht hatte: Als aber der Herr sah, dass der Menschen Bosheit groß war auf Erden und alles Dichten und Trachten ihres Herzens nur böse war immerdar, da reute es denHerrn, dass er die Menschen gemacht hatte auf Erden, und es bekümmerte ihn in seinem Herzen, und er sprach: Ich will die Menschen, die ich geschaffen habe, vertilgen von der Erde, vom Menschen an bis hin zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel; denn es reut mich, dass ich sie gemacht habe. Aber Noah fand Gnade vor demHerrn“ (Gen 6,5–8). Wenn wir diese Schilderung lesen, so mag sie uns in gewisser Weise beruhigen und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen ist Gottes Gewaltakt nicht grenzenlos. Er trifft nicht alle. Noah findet Gnade vor dem Herrn und wird verschont.2 Zum anderen handelt Gott gewissermaßen aus Affekt bzw. mit Affekten, jedenfalls nicht aus niederen Motiven, nicht willkürlich, nicht aus einer Laune heraus, wie wir dies etwa aus Schilderungen aus KZs und von deren Aufsehern kennen. Vielleicht haben Sie „Schindlers Liste“ gesehen und entsprechende Szenen, wo Mord zum Vergnügen wurde, einer Art Freizeitbeschäftigung, einem Hobby gleichsam. Anders die biblische Schilderung: Gottes Gewalt ist Gegengewalt: „Denn die Gewalt (ḥāmās), die die Flut auslöste, ging nach Gen 6,9ff von den Menschen und den Tieren aus, die der Schöpfergott dann allerdings mit vernichtender Gegengewalt beantwortete“3; freilich unter Schmerzen.4 Von einen vernichtenden „Zorn“ oder dergleichen ist dabei nicht die Rede. Es „bekümmert Gott in seinem Herzen“, heißt es in der Lutherübersetzung. Gott ist regelrecht in einem „Zustand psychischer und emotionaler Not“5. Er ringt sich „in tiefer Anteilnahme […] zur Vernichtung der Menschen durch.“6

Und doch bleibt die Frage: Aber war Gottes Gewaltreaktion verhältnismäßig? Wiegt der Menschen Bosheit ihre Vertilgung auf? Rechtfertigt sie sie? Wohl kaum! Und das Überraschende, gänzlich Überraschende ist nun, dass die biblische Schilderung mit uns in diesem Urteil vollkommen übereinstimmt, ja, das gänzlich Überraschende ist, dass Gott selbst eingesteht, falsch gehandelt zu haben. Denn Gott bereut abermals. Das muss ich erläutern. „Reue“7 ist das zentrale Stichwort in der Noahgeschichte: „Reue ist die Reaktion auf ein als falsch erkanntes Tun, Vorhaben oder Reden. Kann Gott etwas bereuen, kann Gott etwas Falsches gemacht, geplant oder gesagt haben?“8 Offensichtlich! Aber Gott reute nicht nur die Schöpfung, die er offenbar nicht zu seiner eigenen Zufriedenheit gemacht hatte, sondern ihn gereut auch sein Umgang mit ihr, ihn gereut die Sintflut. Ihn gereut die Vernichtung. Dies betonend, endet nämlich – und hier nehme ich den Schluss der Noahgeschichte gleich vorweg – dieselbe. Als nämlich Noah mit seiner Familie und den Tieren aus der Arche steigt, da baut er Gott einen Altar und opfert ihm Brandopfer. Und dann heißt es: „Und derHerr roch den lieblichen Geruch und sprach in seinem Herzen:Ich will hinfort nicht mehr die Erde verfluchen um der Menschen willen; denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Und ich will hinfort nicht mehr schlagen alles, was da lebt, wie ich getan habe.Solange die Erde steht, soll nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht“ (Gen 8,21–22).

Die Noahgeschichte, liebe Gemeinde, handelt von einer doppelten Reue: Erst reut es Gott, dass er die Menschen gemacht hatte und dann reut ihn diese Reue. Welch eine überraschende Wende! Welch ein überraschendes, ja, welch ein unerhörtes Gottesbild! Es bricht mit der Metaphysik! Geradezu menschlich, regelrecht anthropomorph, also menschengestaltig, wird Gott geschildert. Gott reut sein Tun. Gott wandelt seinen Willen. Gott lernt dazu.9 Wir denken Gott in der Regel ganz anders: Er sitzt unwandelbar auf seinem Thron, über jeden Fehler erhaben. Er kann alles. Er weiß alles. Wie sollte er da etwas dazulernen müssen? Hier nun ereignet sich nichts Geringeres als eine Revolution im Gottesbild.10 Wohl wird Gott als geradezu allmächtig gezeichnet. Aber seine Macht „zeigt sich in der Fähigkeit zur Schwäche – zu Gefühlen, zum Mitleid und zur Reue. Das ist der Ausdruck der unvergleichlichen Macht Gottes, die darin ihre Besonderheit hat, dass sie Macht noch über Macht ist.“11 Die Noahgeschichte berichtet „von einemdramatischen Wandel in Gott12. Gott nimmt seinen Vernichtungsbeschluss durch einen Akt der Barmherzigkeit zurück und sichert damit den Fortbestand der Erde, und das obwohl die Schuld des Menschen unverändert weiterbesteht.13 Denn nicht der Mensch hat sich in der Noahgeschichte gewandelt, sondern Gott. Das bedeutet freilich für Gott: „Mit seinem Gewaltverzicht nimmt Gott in Kauf, dass sich die Bosheit der Menschen auf Erden wieder ausbreiten kann – wie schon vor der Sintflut. Damit nimmt er auch sein eigenes Leiden in Kauf.“14 Es wird seinen Höhepunkt finden im Kreuz Jesu.

In der Noahgeschichte hat nicht die Katastrophe das letzte Wort,15 sondern Gott und zwar Gott als der Stifter des Bundes. Gott ist der, wie wir zu Beginn des Gottesdienstes gehört haben, „der Bund und Treue hält ewiglich und nicht preisgibt, was er geschaffen hat“. Das sind für uns Reformierten vertraute Worte, die uns besonders wichtig sind und die auch in der Noahgeschichte ihre Bestätigung finden. Denn die Geschichte von der Sintflut endet ja damit, dass Gott seinen Bogen in die Wolken setzt: Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich gesetzt in die Wolken; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde. Und wenn es kommt, dass ich Wetterwolken über die Erde führe, so soll man meinen Bogen sehen in den Wolken. Alsdann will ich gedenken an meinen Bund zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, dass hinfort keine Sintflut mehr komme, die alles Fleisch verderbe. Darum soll mein Bogen in den Wolken sein, dass ich ihn ansehe und gedenke an den ewigen Bund zwischen Gott und allem lebendigen Getier unter allem Fleisch, das auf Erden ist. Und Gott sagte zu Noah: Das sei das Zeichen des Bundes, den ich aufgerichtet habe zwischen mir und allem Fleisch auf Erden.“

Dass es zu diesem Wandel in Gott kommt, ja überhaupt kommen kann, hat damit zu tun, dass Gott gleich zu Anfang beabsichtigt, einen Bund mit Noah zu schließen. Noch bevor Noah in die Arche einsteigt, lesen wir: Aber mit dir will ich meinen Bund aufrichten, und du sollst in die Arche gehen mit deinen Söhnen, mit deiner Frau und mit den Frauen deiner Söhne. Und du sollst in die Arche bringen von allen Tieren, von allem Fleisch, je ein Paar, Männchen und Weibchen, dass sie leben bleiben mit dir“ (Gen 6,18f.). Gottes Bundeswillen ermöglicht einen Wandel von der Reue zur Treue. Wer also ist Gott? Er ist der Bundesgott. Und das heißt: Der Gott, der uns Menschen nicht nötig hat, weil er, Gott, bereits in sich selbst ein Bund ist, nämlich aus Vater, Sohn und Heiligem Geist – dieser Gott will doch ohne uns nicht sein. Er möchte uns als Partner haben – uns Menschen und zwar aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit ohn all mein Verdienst und Würdigkeit“, wie Luther im „Kleinen Katechismus“ betont. Gott möchte nicht ohne uns Gott sein. Und deshalb schließt er einen Bund mit Noah und allen Überlebenden nach der Sintflut- einschließlich der Tiere. Und noch während die Flut tobt, ist es der Bund, an den Gott sich erinnert und der dafür sorgt, dass die Sintflut gut für Noah und die Insassen in der Arche ausgeht und sie schlussendlich überleben:16 Gott gedachte an Noah und an alles wilde Getier und an alles Vieh, das mit ihm in der Arche war; und Gott ließ Wind auf Erden kommen, und die Wasser fielen“ (Gen 8,1).17 >Das Bundesgedenken Gottes ist „der Ausdruck des göttlichen Erbarmens, durch das Noah neuer Lebensraum geschaffen wird.“18

Lebensraum meint zugleich Schutzraum, denn der Bund ist ein solcher Schutzraum, in dem Leben, in dem Frieden gedeihen kann. Der Bund – er verbindet, auch das, was sich in schier unüberbrückbarem Gegensatz feindlich gegenüberzustehen scheint.19 Der Bund hat somit friedenstiftende, pazifizierende Kraft. So auch in der Noahgeschichte. Der Bund als der große Schutzraum für alle – „vom Menschen an bis zum Vieh und bis zum Gewürm und bis zu den Vögeln unter dem Himmel“ (Gen 6,7) – er wird zur großen Arche, vorweggenommen in der Noahgeschichte durch die kleine Arche, den „Kasten“ (teva), wie die Arche Noahs im Hebräischen wörtlich heißt. Auch dieser kleine Kasten ist ein Schutzraum. Er präformiert im Kleinen den Wolkenbogen im Großen. Übrigens taucht derselbe hebräische Begriffteva in einer anderen „arche-typischen“ biblischen Geschichte wieder auf und bezeichnet dort nochmals „einen anderen, [nochmals] ungleich kleineren Kasten, der ebenfalls ein Überleben im Wasser bewirkte. Eineteva ist nämlich (in 2. Mose 2) auch das Körbchen, in dem die Mutter des Mose das Neugeborene im Nil aussetzt und das sie mit Erdpech abdichtet, um ihm so zum Überleben zu verhelfen.“20

Liebe Gemeinde, wir Menschen brauchen solche Schutzräume, solche „safe spaces“ – vielleicht heute, angesichts der Wiederkehr des Krieges und angesichts einer geradezu omnipräsenten Gewalt, dringender denn je. Menschen sehnen sich nach sicheren Bleiben. Der Bochumer Sozialphilosoph Burkhard Liebsch schreibt:Existieren oder leben können wir nur dank Anderer, […] die uns eine Bleibe einräumen. Tun sie das nicht, sind wir früher oder später zum Tode verurteilt, ob als Neugeborene, als sozial Unsichtbare oder als Flüchtlinge. Eine Bleibe und Schutz vor der Gewalt Anderer sind nicht ein für allemal zu garantieren. Kollektive Gewalt, die Menschen auf ihr radikalstes Angewiesensein auf Andere zurückwirft und sich über es hinwegsetzt oder ihre Opfer direkt ruiniert, führt das unmissverständlich vor Augen.“21

Liebe Gemeinde, Gewalt gibt es freilich auch in unserer Kirche. Vermutlich schockieren uns die Missbrauchsfälle so sehr, weil wir gedacht und gehofft hatten, dass Kirche ein solch sicherer, gewaltfreier Schutzraum sein könnte, eine Bleibe für alle Schutzsuchenden, ein Raum des Friedens. Es geht bei den Missbrauchsfällen um weitaus mehr als nur explodierende Kirchenaustrittszahlen und implodierende Finanzen. Nein, es geht um unsere Identität und unseren Auftrag, den Frieden Gottes in dieser Welt gelten zu lassen. Ja, wie schön wäre es, wenn Kirche, der Arche Noah gleich,22 Raum für Frieden geben würde. Das „Schepken Christi“, Sinnbild der reformierten Gemeinde und seit Jahrzehnten Siegel und Logo unserer Landeskirche, erinnert uns an die Arche Noahs. Das „Schepken Christi“ bringt unsere Hoffnung zum Ausdruck, dass auch wir Kirche zumindest bruchstückhaft und in Ansätzen so erleben können, wie sie einst die aus den Niederlanden vertriebenen reformierten Glaubensflüchtlinge in Emden erlebten: „Godts Kerck vervolgt Verdreven. Heft Godt hyr Trost gegeven” („Gottes Kirche verfolgt, vertrieben. Gott hat hier Trost gegeben“) – so lesen wir es noch heute auf dem 1660 angebrachten Original am Ostportal der Großen Kirche in Emden.

Ich komme zum Schluss: Was „lehrt“ uns die Noahgeschichte? Was können wir von ihr lernen? Wir haben gesehen, dass eine bestimmte Imitationslogik die Schilderung der Noahgeschichte leitet.23 Die Noahgeschichte wird uns so erzählt, dass sie uns Lesenden zu verstehen gibt: Versuch es, so wie Gott zu machen: Gibt Dich nicht der Gewalt hin. Beantworte nicht Böses mit Bösem. Mit Paulus gesprochen: „Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Röm 12,21). Und das heißt: Lerne aus deinen Fehlern, lerne auf Gewalt zu verzichten, und mach Raum für den Frieden Gottes. Und schließlich: Lass Dich erinnern an Deine eigentliche Absicht, Deinen Willen zum Bund, Deinen Wunsch nach dem Gegenüber, nach dem Partner und dem Zusammenleben mit ihm. Lass Dich erinnern, so wie auch Gott sich erinnern lässt. Er setzt den Regenbogen in die Wolken, damit er sich erinnert – erinnert an den Bund zwischen ihm und der Erde. Der Regenbogen wird für Gott hinsichtlich seiner eigenen kriegerischen Vergangenheit zu einer Art „Kriegerdenkmal“, „freilich in der Lesart eines Imperativs: ‚Krieger, denk mal!‘“.24 „Symbole geben zu denken“25, hat der Philosoph Paul Ricoeur einmal gesagt. Und das Symbol des Regenbogens gibt tatsächlich zu denken – offensichtlich auch Gott. Der Regenbogen verbindet Himmel und Erde, Gott und Mensch. Er gleicht dem Kriegsbogen (käschät im Hebräischen), also einer Waffe. Seinen Kriegsbogen hat Gott an den Nagel gehängt,26 den Nagel seiner Wolken. Er braucht Pfeil und Bogen nicht mehr. In einem alten „Spiritual“ heißt es:

„I’m gonna lay down my sword and shield

down by the riverside, down by the riverside,

I ain’t go study war no more.”

Ja, liebe Gemeinde: War no more! Gott macht es uns vor: Er braucht seinen Bogen nur noch als Symbol für seinen Friedenswillen. Der einstige Kriegsbogen – er ist nun, am Himmel hängend, entspannt.27 Ihm fehlt die Sehne. Und er ist nicht mehr als Waffe gegen die Erde gerichtet. Wie die Schwerter bei Jesaja (2,4) und Micha (4,3) zu Pflugscharen werden, so wird der Kriegsbogen bei Noah zu einem Regenbogen: „Die Umwandlung des Kriegsbogens in einen Regenbogen ist eine Rüstungskonversion. Das Kriegsgerät wird nicht einfach vernichtet, sondern zu etwas Friedlichem verwandelt.“28

Liebe Gemeinde, lassen wir uns – wie Gott – von jedem Regenbogen, den wir sehen, aufs Neue erinnern und aufs Neue herausfordern, „den entscheidenden ‚Lernschritt Gottes‘ nachzuvollziehen und uns in einer gewaltgesättigten Welt auf die Erfahrung eines neuen gewaltfreien Umgangs einzulassen.“29 Gott schenke uns dazu seinen Frieden.

Und der Friede Gottes, der höher ist als all unsere menschliche Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus, Amen.


1 Jürgen Ebach, Gottes Bogen in den Wolken. Bibelarbeit über 1. Mose 9,8–17, 2. Ökumenischer Kirchentag, München 2010, in: ders., Mehrdeutlichkeit. Theologische Reden 9, Uelzen 2011, (57–72) 58.

2 Bernd Janowski (Ein Gott, der straft und tötet? Zwölf Fragen zum Gottesbild des Alten Testaments, 4. Aufl., Göttingen 2020, 102) spricht von einer „sympathischen Inkonsequenz Gottes“. Ähnlich Walter Dietrich / Christian Link, Die dunklen Seiten Gottes. Bd. 2: Allmacht und Ohnmacht, Neukirchen-Vluyn 2000, 175, die betonen, dass diese Inkonsequenz kennzeichnend sei für die „Menschenfreundlichkeit“ Gottes.

3 B. Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 96.

4 So betont Bernd Janowski, Der Schmerz Gottes. Zu einem wichtigen Zug im biblischen Gottesbild, in: ders., Leben in Gottes Gegenwart. Beiträge zur Theologie und Anthropologie des Alten Testaments 7, Göttingen 2021, (115–136) 118ff.

5 C. Meyers, Art. ʽāṣab usw., ThWAT 6 (1989), (298–301) 299.

6 Ulrich Berges, Der Zorn Gottes in der Prophetie und Poesie Israels auf dem Hintergrund altorientalischer Vorstellungen, Bib 85 (2004), (305–330) 312.

7 Zur Reue Gottes vgl. Jörg Jeremias, Die Reue Gottes. Aspekte alttestamentlicher Gottesvorstellung, BThSt 31, 2. Aufl., Neukirchen-Vluyn 1997, 19–27; 129–132; Jan-Dirk Döhling, Der bewegliche Gott. Eine Untersuchung des Motivs der Reue Gottes in der Hebräischen Bibel, Herders Biblische Studien 61, Freiburg i.Br. u.a. 2009, 85–133.

8 J. Ebach. Gottes Bogen in den Wolken, 58.

9 Vgl. ebd.

10 B. Janowski (Der Schmerz Gottes, 123) spricht von einer „dramatischen Transformation des biblischen Gottesbildes“. Diese sollte gravierende Auswirkungen auf die Theologie haben. Die Revolution im Gottesbild müsste unabdingbar eine Revolution der theologischen Denkungsart nach sich ziehen. Der Theologe Friedrich Schleiermacher hingegen spricht mit vielen anderen Theologen Gott eine Affektfreiheit zu und im Gegenzug (und auf seine Weise konsequent) Gott die Regung der Barmherzigkeit ab. So in Friedrich Schleiermacher, Der christliche Glaube nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche im Zusammenhange dargestellt, Bd. 1, hg. von Martin Redeker, 7. Aufl., Berlin 1960, 458 (§ 85): „Gott Barmherzigkeit zuzusprechen, eignet sich mehr für das homiletische und dichterische Sprachgebiet als für das dogmatische.“ Anders hingegen Karl Barth (Einführung in die evangelische Theologie, 3. Aufl., Zürich 1985, 17), der dazu bemerkt: „Der Gott Schleiermachers kann sich nicht erbarmen.“

11 Jürgen Ebach, Noah. Die Geschichte eines Überlebenden, Biblische Gestalten 3, Leipzig 2001, 42.

12 B. Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 100.

13 So Janowski, a.a.O., 101.

14 Walter Dietrich / Moisés Mayordomo, Gewalt und Gewaltüberwindung in der Bibel, Zürich 2005, 192.

15 So B. Janowski, Ein Gott, der straft und tötet?, 102.

16 Host Seebass, Genesis I. Urgeschichte (1,1 – 11,26), Neukirchen-Vluyn 1996, 216, hält fest: „Gottes Erinnern ist nicht bloß Gedanke […], sondern Tat.“

17 Treffend bemerkt Bernd Janowski (Schöpfung, Flut und Noahbund. Zur Theologie der priesterlichen Urgeschichte, in: ders., Das hörende Herz. Beiträge zur Theologie und Anthropologie des Alten Testaments 6, Göttingen 2018, 127–146, 144): „Wenn man diese sprachlichen Bezüge beachtet, so wird klar, dass die Bundeszusage von 6,18a im Gedenken Gottes an Noah und an alle Lebe wesen in der Arche (8,1a) realisiert wird. Das bedeutet, dass schon in der in 8,18a angekündigten Aufrichtung des Bundes die entscheidende Voraussetzung für das lebensförderliche Gedenken Gottes von 8,1a gegeben ist.“

18 Willy Schottroff, „Gedenken“ im alten Orient und im Alten Testament. Die Wurzel zākar im semitischen Sprachkreis, WMANT 15, 2. Aufl., Neukirchen-Vluyn 1967, 187.

19 Dabei ist der Noahbund recht „asymmetrisch“ bzw. „einseitig“. So Johannes von Lüpke, Gottesgedanke Mensch. Anthropologie in theologischer Perspektive, Leipzig 2018, 267: „In Gen 9 meint Bund primär eine einseitig Zusicherung Gottes, die zwischen ihm und seiner Schöpfung, der Menschheit, den Tieren und der Erde, gelten soll, ohne dass auf deren Seite irgendeine Bedingung zu erfüllen oder eine Gegenleistung zu erbringen wäre.“ Gerhard von Rad, Das erste Buch Mose: Genesis, ATD 2/4, 10. Aufl., Göttingen 1976, 101, betont ähnlich: „Dieser Noahbund unterscheidet sich aber vom Abraham- oder Sinaibund oder allen anderen geschlossenen Bünden: Waren dort einzelne oder das Volk ganz persönlich in ein Gemeinschaftsverhältnis mit Gott berufen und somit vor die Frage der Bejahung dieser Ordnung gestellt, so steht das Zeichen des Noahbundes durchaus ohne eine bekennende Aneignung seitens der irdischen Partner hoch über den Menschen zwischen Himmel und Erde als Unterpfand einer rechten gratia praeveniens (dem Willen Gottes zuvorkommende Gnade)!“

20 J. Ebach, Gottes Bogen in den Wolken, 64.

21Burkhard Liebsch, „Uralter“ Krieg, Neue Kriege und radikale Gewalt. Fordert die neuere Gewaltgeschichte zur Revision der menschlichen conditio historica heraus?, in: ders., „Die“ Gewalt und „wir“. Sozialphilosophische Beiträge zur Geschichte, zu Widerfahrnissen und aktuellen Brennpunkten, Baden-Baden 2024, (159–186) 179.

22 Vgl. J. Ebach, Gottes Bogen in den Wolken, 69: „Noahs Arche steht hinter der Rede vom Kirchenschiff. Das kann sich auf die Architektur des Kirchenbaus beziehen, aber s kann auch zum Sinnbild der Kirche als Lebensraum werden – ich denk etwa an das Kirchenlied ‚Ein Schiff, das sich Gemeinde nennt‘ (EG 604).“

23 Dies betont zu Recht Friedrich Johannsen, Alttestamentliches Arbeitsbuch für Religionspädagogen, 4. Aufl., Stuttgart 2010, 97.

24 J. Ebach, Gottes Bogen in den Wolken, 68.

25 Paul Ricoeur, Hermeneutik der Symbole und philosophische Reflexion (I), in: ders., Der Konflikt der Interpretationen, Bd. II: Hermeneutik und Psychoanalyse, München 1974, (162–195) 163.

26 So auch W. Dietrich / Chr. Link, Die dunklen Seiten Gottes 2, 175.

27 So Udo Rüterswörden, Der Bogen in Gen 9, in: ders., Dominium terrae. Studien zur Genese einer alttestamentlichen Vorstellung, BZAW 215, Berlin / New York 1993, (131–154) 151: Der Bogen in den Wolken ist „der abgelegte, entspannte, von seiner Sehne befreite Bogen […] das Erinnerungszeichen Jahwes, dass er keine Vernichtungshandlungen gegen die Erde und ihre Bewohner mehr ausführt.“

28 J. Ebach, Gottes Bogen in den Wolken, 65.

29 F. Johannsen, Alttestamentliches Arbeitsbuch, 97.


Marco Hofheinz