Witz und Satire als reformatorisches Kampfmittel

Der Lausanner Reformator Peter Viret hat die Zustände der Kirche aufs Korn genommen

Satire und witzige Polemik haben auch in der Theologie ihren Platz. Darin sind sich Johannes Calvin (1544) und Jan Remmers Weerda (1964) einig. Der eine schrieb das Vorwort, der andere gräbt die lustigen Seiten des literarisch umtriebigen Viret aus.

Der ostfriesische Pfarrer und Erlanger Theologieprofessor Jan Remmers Weerda (1906-1963) hat sich in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts in verdienstvoller Weise mit bis dahin wenig beachteten Themen und Personen der frühen Reformationsgeschichte beschäftigt und in dem Buch "Nach Gottes Wort reformierte Kirche" zusammengetragen. In einem Kapitel geht es um den Reformator in Lausanne Peter Viret (1511-1571) und dessen humorvolle Seiten.

Johannes Calvin charakterisiert seinen Freund Viret im Vorwort zu dessen ersten Teil der "Christlichen Disputationen" als vergnügten Theologen. Nicht jeder habe an schulmäßig strenger Theologie seine Freude. Zwar habe ein Witz in unseren Äußerungen dann nichts zu suchen, wenn wir den Mund öffnen, um von Gott zu reden. "Aber beim Entziffern der abergläubischen Narreteien, mit denen die arme Welt durcheinander gebracht wurde bislang, kann man einfach über so lächerliche Dinge nicht anders reden, als dass man darüber aus vollem Munde lacht" (CR Bd. 9, 863-866)

Viret nutzt die Satire, um die Falschheiten aufzudecken, mit denen zu seiner Zeit die Gläubigen für dumm verkauft wurden. Ein Beispiel:

Ein Pfarrer ermahnte seine Schäfchen, ihm fleißig den Zehnten zu zahlen. Und um sie besser anzureizen, stellte er ihnen das Beispiel Abels und Kains vor. ‚Hütet euch wohl, es so wie der verfluchte Kain zu machen. Der wollte einfach den Zehnten nicht zahlen und auch nicht zur Messe gehen. Folgt vielmehr dem Beispiel des guten Abel! Der zahlte ihn sehr gern und versäumte nie, die Messe alle Tage zu hören.' Aus der Zuhörerschaft sagte einer: ‚Das Beispiel verstehe ich nicht. Denn zu der Zeit waren doch nicht mehr als vier Personen auf der Welt. Kain sang und hörte keine Messe. Da Abel sie hörte, konnte er sie nicht singen und auch nicht respondieren. Also muß Adam sie gesungen haben und Eva hat ihm das Tuch gehalten. Daraus folgt dann doch, daß die Priester damals verheiratet waren!'

Sicherlich wird heutzutage in Schulen und von Kanzeln nicht mehr in diesem Maße Unsinn erzählt, wie ihn Viret zu seiner Zeit wohl erlebt haben muss. Doch auf die Stimmigkeit von Geschichten und Beispielen zu achten, bleibt dennoch auch heute eine sinnvolle Aufgabe. Die Auslegung von biblischen Texte zum Beispiel verleitet den einen und die andere, es mit der Wahrheit nicht ganz so genau zu nehmen. Unter dem Hinweis, die Gemeinde würde das eh nicht verstehen, werden historische Erkenntnisse vorenthalten der Erbaulichkeit geopfert.

Der Humor und die theologische Satire hat dagegen durch die neueren Formen der Textverbreitung - auch genannt: Internet - etwas Aufwind bekommen.


Georg Rieger